Positionspapier zur Zusammensetzung natürlicher Vanillearomen
Handelslabore und Verbrauchermagazine zweifeln immer wieder die Kennzeichnung „natürliches Vanillearoma“ an und unterstellen eine Täuschung des Konsumenten durch die Lebensmittelindustrie. Ursache für das Feststellen einer vermeintlichen Verbrauchertäuschung hierbei ist, dass die verwendeten Vanilleextrakte nicht gesamt in die 95/5-Berechnung einbezogen werden, sondern nur die darin analytisch quantifizierten Aromastoffe. Der vielfältige Geschmack der Vanilleschote setzt sich jedoch aus flüchtigen und nicht-flüchtigen Komponenten des Vanilleextrakts zusammen und ist sehr komplex.
Fermentierte Vanilleschoten bestehen aus einer Vielzahl extrahierbarer Inhaltsstoffe wie z. B. Protein, Zucker, Vanillin und anderen Monohydroxyphenolen, Wachsen, Pigmenten, Mineralien, glykosidisch gebundenen Stoffen und flüchtige Aromakomponenten. Bisher konnten mehr als 200 Verbindungen in der Vanilleschote identifiziert werden. Ein großer Anteil dieser Stoffe ist nicht flüchtig und wird mit üblicherweise in der Aromaanalytik verwendeten Methoden nicht erfasst.
Vanilleextrakt ist eine Lösung aus wohlschmeckenden und wohlriechenden Bestandteilen, die mit alkoholisch-wässrigen und anderen zulässigen Auszugsmitteln aus der Vanilleschote extrahiert werden. Das charakteristische Aroma eines Vanilleextraktes ist ein Zusammenspiel unterschiedlicher flüchtiger und nicht flüchtiger Bestandteile. Bei den flüchtigen Verbindungen tragen insbesondere Carbonyle, Phenole, aromatische Alkohole, Säuren sowie Ester, aliphatische Alkohole, Lactone, aliphatische Kohlenwasserstoffe, Terpenoide, heterozyklische Verbindungen, etc. zum charakteristischen Aroma der Vanille bei. Bei den nicht flüchtigen Verbindungen prägen insbesondere Tannine, Polyphenole, freie Aminosäuren, Harze sowie Glykoside das Vanillearoma. Untersuchungen haben gezeigt, dass es keinen klaren Zusammenhang zwischen dem Vanillingehalt und dem sensorischen Profil von Vanilleextrakten gibt. Zahlreiche Bestandteile beeinflussen das komplexe Aroma von Vanille. Vanillin ist nur ein Element davon.
Gemäß Artikel 16 (4) der EG-Aromenverordnung muss bei einem natürlichen Vanillearoma, der Aromabestandteil ausschließlich oder mindestens zu 95 % aus Vanille stammen. Die restlichen 5 % müssen auch natürlich sein und dienen der Standardisierung oder Verleihung einer beispielsweise sahnigen, cremigen oder blumigen Aromanote (siehe auch Erwägungsgrund 26 der EG-Aromenverordnung). Bei der Einbeziehung eines Vanilleextraktes gemäß Artikel 3 (2) (d) der EG-Aromenverordnung in die mengenmäßige Bestimmung gem. „95-5-Regel“ ist der Vanilleextrakt in seiner Gesamtheit anzurechnen. Diese Auslegung entspricht in Systematik, Wortlaut und Historie der EG-Aromenverordnung.
Einige private Laboratorien beziehen in ihre Berechnung lediglich die von ihnen im Aromaextrakt quantifizierten Aromastoffe ein. Im Fall von „natürlichen Vanillearomen“ sind dies Vanillin sowie die Nebenkomponenten Vanillinsäure, p-Hydroxybenzaldehyd und p Hydroxybenzoesäure. Zahlreiche der bereits oben beschriebenen Komponenten, die für das komplexe Aroma des Vanilleextrakts mit verantwortlich sind, werden so nicht betrachtet. Ebenso wird nicht berücksichtigt, dass sich der Gehalt an diesen Inhaltstoffen im Lebensmittel verändern kann.
Die Beurteilung eines natürlichen Vanillearomas kann nur anhand der Rezepturangabe sowie mithilfe geeigneter sensorischer Prüfungen durch Expertenpanels erfolgen.
Weiterführende Informationen finden Sie in unserem Positionspapier zur Kennzeichnung „natürlich“.
Referenzen:
1. Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln
2. Ranadive A.S., (1994), Vanilla – Cultivation, Curing, Chemistry, Technology and Commercial Products., in: Charalambous G., (1994), Spices, Herbs and Edible Fungi, Elsevier, Amsterdam, London, New York
3. Rao S. R., Ravishankar G. A., (2000), Vanilla flavor: Production by conventional and biotechnological routes, J. Sci. Food Agric. 80:289-304.
4. Sinha A. K., Sharma U. K., et al. (2008), A comprehensive review on vanilla flavor: Extraction, isolation and quantification of vanillin and others constituents, Int. J. Food Sci. Nutr. 59(4),299 — 326
5. Schwarz B., Hofmann T., (2009), Identification of Novel Orosensory Active Molecules in Cured Vanilla Beans (Vanilla planifolia), J. Agric. Food Chem. 57, 3729–3737
6. Gassenmeier K., Riesen B., Magyar B., (2008), Commercial quality and analytical parameters of cured vanilla beans (Vanilla planifolia) from different origins from the 2006–2007 crop, Flavour Fragr. J. 23, 194–201
7. Kotthoff M., Nörenberg S., (2016), Geruch und Ernährung Teil 2: Die Charakteristik der Aromastoffe, ErnUm. 63(1), 22-30
8. Kempe K., Kohnen M., (1999), Deterioration of natural vanilla flavours in dairy products during processing, Adv. Food Sci. 21, 48-53
9. EFFA Guidance Document on the EC Regulation on Flavourings
10. FDA, Code of Federal Regulations Title 21, part 169, Sections 169.3 and 169.175
11. ISO Standard 5565-2 on Vanilla extract
12. Arctander S., (1960), Perfume and Flavor Materials of Natural Origin, 638-647
13. Positionspapier des DVAI zur Auslegung des Artikels 16 (4)
Stand: 29.11.2017