Positionspapier Spuren von Aromastoffen in Lebensmitteln und Aromen

  • Fortschritte in der Analytik ermöglichen den Nachweis immer kleinerer Spuren von Aromastoffen.
  • Unverhältnismäßige Interpretationen solcher analytischen Nachweise haben bereits zu Abwertungen in Verbrauchermagazinen, Anfragen seitens der Lebensmittel-überwachung und letztendlich auch zur Belastung geschäftlicher Beziehungen geführt.
  • Um den Nachweis von Spuren lebensmittelrechtlich einordnen zu können, bedarf es der Betrachtung aller möglichen Faktoren.
  • Als mögliche Ursachen müssen technologisch unvermeidbare „Verschleppungen“ sowie die unerwünschte Bildung solcher Aromastoffe in der gesamten Produktions- bzw. Herstellungskette in Betracht gezogen werden.
  • Der rein analytische Nachweis erlaubt nicht zwangsläufig den Rückschluss auf einen aktiven Zusatz und sollte mithin nicht zu einer Beanstandung bzw. Abwertung aufgrund einer vermeintlich „falschen“ Aromendeklaration führen.
  • Lebensmittel, die solche unvermeidbare Spuren enthalten, sind verkehrsfähig.

Nachfolgend werden die oben genannten Aspekte weiter vertieft. Mögliche Ursachen unvermeidbarer Spuren von Aromastoffen:

  1. Die Bildung von Artefakten einschließlich der Bildung von Racematen
  2. Die Übertragung von Spuren (Verschleppungen)

Grundsätzlich sind sämtliche Stufen der Lebensmittelherstellungskette inklusive der Lagerung zu betrachten.

Artefakte

Abhängig von Parametern wie Herstellungsbedingungen, Matrix, pH-Wert, Lagerdauer etc. laufen in allen Lebensmitteln – so auch in Aromen – unvermeidbar chemische Reaktionen im Spurenbereich ab. Verbindungen können abgebaut, umgewandelt oder mit anderen Bestandteilen des Lebensmittels reagieren. Beispiele hierfür sind:

  • der enzymatische Abbau von Vanillin in Milchprodukten zu Vanillinsäure
  • die reversible Bildung von Acetalen aus Alkoholen und Aldehyden
  • die reversible Bildung von Estern aus Alkoholen und Säuren
  • der Abbau des licht- und säureempfindlichen Limonens zu Carvon
  • Bildung von Racematen

Racemate
Racemate stehen bei der Beurteilung der Natürlichkeit eines Aromas häufig im Fokus der Analyse. Dies beruht darauf, dass in der Natur und bei biochemischen Herstellungsprozessen die räumliche Struktur eines Moleküls oftmals in einem bestimmten Mengenverhältnis gebildet wird. Dies reicht von annähernd enantiomerenrein bis hin zum Racemat. Im Racemat liegen die beiden möglichen räumlichen Strukturen eines Moleküls (Enantiomere genannt), die zueinander spiegelbildlich sind, in gleichen Mengen vor.

Die klassische chemische Synthese bildet in der Regel Racemate. Dies führt häufig zum falschen Rückschluss, dass es sich beim Nachweis eines racemischen Aromastoffs zwingend um eine nicht natürliche Verbindung handelt.
Demgegenüber finden sich genügend Beispiele von in der Natur vorkommenden Racematen:

  • ‚Acidium racemicum‘, die Traubensäure stellt die racemische Mischung von D- und L-Weinsäure dar und bildet das klassische Beispiel; anhand dieser Verbindung wurde von Louis Pasteur erstmals eine Trennung der Spiegelbilder (über ihre Salzkristalle) erreicht.
  • Das Racemat der Milchsäure findet sich z. B. in Sauermilchprodukten, Tomatensaft und Bier.
  • Racemisches Citronellal ist typisch für Zitroneneucalyptus, während Citronellal in anderen ätherischen Ölen enantiomerenrein vorkommt: D-Citronellal in Citronella; L Citronellal in Kaffernlimette.
  • Racemisches Carvon findet man im Ingwergras, während im Kümmel reines D-Carvon vorliegt und Krauseminze L-Carvon bildet; die Enantiomeren zeigen völlig verschiedene sensorische Eigenschaften.

Die Biosynthese von Aromastoffen in einer Frucht kann aus verschiedenen Gründen (enzymatisch bedingt, gleichzeitige Anwesenheit von Säuren, geringe Konzentration der Reaktionsteilnehmer etc.) anders bzw. selektiver ablaufen als die industrielle Herstellung natürlicher Aromastoffe. Folglich können sich unterschiedliche Enantiomeren-Verhältnisse ergeben, wie sie in unverarbeiteten, pflanzlichen Lebensmitteln so nicht gefunden werden.

Die Bedingungen für die Herstellung eines natürlichen Aromastoffes gemäß EG-Aromenverordnung 1334/2008 werden so gewählt, dass vornehmlich die gewünschte Hauptkomponente entsteht, da die vorgeschriebene Reinheit von Aromastoffen in der Regel mindestens 95% beträgt. Die bei der Herstellung ebenfalls entstehenden Nebenkomponenten können unbeabsichtigt und unvermeidbar auch in racemischer Form vorliegen.

Beispiele für die Bildung racemischer Haupt- und Nebenkomponenten in natürlichen Aromastoffen und Aromaextrakten sind:

  • alpha-Terpineol in annähernd racemischer Zusammensetzung, welches bei der destillativen Gewinnung von Limettöl aus saurem Fruchtsaft entsteht.
  • Racemisches alpha-Ionon, welches bei der Destillation des natürlichen beta-Ionons unvermeidbar gebildet wird.
  • Ethyl-2-Methylbutyrat: Fermentativ hergestellte natürliche Buttersäure kann racemische 2 Methylbuttersäure als Nebenkomponente enthalten. Wird die Buttersäure mit Ethanol verestert, entsteht zwangsläufig auch Ethyl-2-Methylbutyrat in racemischer Form.

Wenn alle Enantiomere in der Natur nachgewiesen wurden und die Herstellung des betreffenden natürlichen Aromastoffes in Übereinstimmung mit den Vorschriften der EG-Aromen-VO erfolgt ist, sollte jedes Enantiomeren-Verhältnis zulässig sein und keinen Einfluss auf die Deklaration „natürlich“ haben.

Verschleppungen

Hierunter wird die trotz „guter Herstellungspraxis“ technisch unvermeidbare Verschleppung von Aromastoffen zwischen zwei Prozessabschnitten in der Lebensmittelherstellungskette, z. B. über Produktionsanlagen, verstanden. Diese Verschleppung im Spurenbereich kann trotz hoher qualitätssichernder Standards und Reinigungsmaßnamen vorkommen.

Die Aromenindustrie ist sich der Problematik der Verschleppung bewusst und hat in Zusammenarbeit mit Zulieferbetrieben und Herstellern von Lebensmitteln diesen Sachverhalt in Bezug auf Aromastoffe eingehend untersucht. Hierbei wurden Verschleppungen in Vorläufer- und Nachläuferprodukten analysiert. Unterschiedliche, zwischengeschaltete Reinigungstechniken wurden in die Untersuchung mit einbezogen. Als Referenzsubstanzen wurden Limonen, Lactone und Ester eingesetzt.

Die durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass Verschleppungen von Aromastoffen auf allen Stufen des Herstellungsprozesses auftreten können. Alle Testsubstanzen wurden im unteren µg/kg Bereich (ppb, ein Teil in einer Milliarde) gefunden. Diese Verschleppungen führten zu keiner Beeinflussung der sensorischen Eigenschaften des Endproduktes, denn sie lagen deutlich unter dem Wahrnehmungsschwellenwert.

Gute Herstellungspraxis
Um qualitativ einwandfreie und den rechtlichen Vorgaben entsprechende Produkte herzustellen, werden in den Betrieben zahlreiche qualitätssichernde Maßnahmen durchgeführt. Bei der Herstellung und Verarbeitung von Aromen werden die Anforderungen der Lebensmittelhygieneverordnung (EG) Nr. 852/2004 eingehalten.
Auf allen Stufen des Herstellungsprozesses (Warenannahme, Herstellung, Zubereitung oder Verarbeitung, Verpackung und Transport der Aromen) wird sichergestellt, dass Aromen und Zutaten für Aromen keiner Gefahr der nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt werden. Insbesondere Anlagen, die zur Herstellung, Behandlung, Verarbeitung und Transport von Aromen genutzt werden, sind so angelegt, dass eine gute Lebensmittelhygiene gewährleistet ist und Kontaminationen vermieden werden. Hierbei werden Verfahren wie die Kalt- und Heißwasserspülung und Clean in Place (CIP) angewendet. Adäquate Maßnahmen sind auch bei der Herstellung von Halbfabrikaten und Endlebensmitteln einzuhalten.

Trotz zahlreicher qualitätssichernden Maßnahmen lassen sich in der Lebensmittelverarbeitung, so auch bei der Herstellung von Aromen, keine Reinraumbedingungen realisieren. Eine Verschleppung von Aromastoffen im Spurenbereich kann daher nicht vollständig verhindert werden.

Der Deutsche Verband der Aromenindustrie e.V. (DVAI) hat Leitlinien für eine gute Hygienepraxis in der Aromenindustrie festgelegt.

Schlussfolgerung

Oberstes Ziel der Aromen- bzw. Lebensmittelhersteller ist es, ein sicheres und qualitativ einwandfreies Produkt zu gewährleisten. Bezüglich der Herstellung und Kennzeichnung von Aromen unterliegt der Hersteller strengen Regelungen. Trotz moderner Reinigungsverfahren kann es zu technisch unvermeidbaren Verschleppungen von Spuren zwischen einzelnen Prozessabschnitten kommen. Ebenso kann die unbeabsichtigte Bildung von Artefakten im Lebensmittel oder bereits im Aroma selbst nicht ausgeschlossen werden.

Verschleppungen und Artefakte werden aufgrund der leistungsstarken Analytik in immer geringeren Konzentrationen nachgewiesen. Die Anwesenheit solcher unbeabsichtigter Spuren ist – wie oben ausgeführt- technisch unvermeidbar. In der Regel werden hierdurch die sensorischen Eigenschaften des Aromas/Lebensmittels nicht verändert. Der rein analytische Nachweis dieser Substanzen darf nicht zu einer lebensmittelrechtlichen Beanstandung bzw. Abwertung führen. Bei Zweifeln ermöglicht die Rückverfolgbarkeit der Zutaten eine Aufklärung dieser Befunde.

Referenzen

Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 226/3 vom 25.06.2004)
Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln
Verordnung (EU) Nr. 872/2012 zur Festlegung der Liste der Aromastoffe
Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe
Müller H.,(2003), Spurenanalytik-Sinn und Nutzen, Akademie Journal, 1, 31-37
DVAI-Leitlinie für eine gute Hygienepraxis in der Aromenindustrie
Dugo G., Mondello L., et. al. (2001) Enantiomeric distribution of volatile components of citrus oils by MDGC, Perfumer & Flavorist, 26(1), 20-35
Mondello L.,Verzera A. et. al., (1998), Multidimensional capillary GC-GC for the analysis of real complex samples. Part II. Enantiomeric distribution of monoterpene hydrocarbons and monoterpene alcohols of cold-pressed and distilled lime oils, J. Microcolumn Separations, 10(2), 203-212
Grundlagenpapier der Arbeitsgruppen „Aromastoffe“ und „Stabilisotopenanalytik“ in der Lebensmittelchemischen Gesellschaft zum Thema Herkunft und Authentizität von Vanillearomen, März 2010, Lebensmittelchemie, 64, 43-48
Anklam, E. Gaglione, S. Miller, A., (1997) Oxidation behaviour of vanillin in dairy products, Food Chem., 40(1), 43-51
Siehe hierzu auch das Gemeinsame Positionspapier VdF / DVAI zur Verschleppungsproblematik von Aromastoffen bei der Herstellung von Halbwaren in der Zuliefer-Industrie und der Abfüllung von Fertigwaren in der Fruchtsaft-Industrie (Stand: 29.10.1999, Überarbeitung 18.12.2003).
EFFA Guidance Document for the Production of Natural Flavouring Ingredients V2.0 (11/03/13)

Stand: 23.02.2016