Kommentar: Die Lebensmittel- und Aromenindustrie in der Presseberichterstattung

Kommentar

Die Lebensmittel- und Aromenindustrie in der Presseberichterstattung

12. Februar 2021 | Schlagwort: Aromenindustrie

Über das Thema Ernährung kann man täglich in der Presse und in den Sozialen Medien lesen. Eine nicht unerhebliche Zahl an Artikeln unterstellt den Lebensmittelherstellern und ihren Zulieferern dabei vorsätzliche Täuschung der Verbraucher*innen oder sogar Betrug.

Diese Berichterstattung ist häufig geprägt von Unklarheiten im Umgang mit der richtigen rechtlichen Einordnung der Vorschriften und Gesetze. Vielfach ist sie auch von der Unkenntnis über die Produktionsmethoden oder die natürliche Beschaffenheit von Stoffen bestimmt. Darüber hinaus scheint sie immer wieder auch im Kontext eines persönlichen Wunsches nach mehr Klarheit bzw. anderen rechtlichen Regeln zu erfolgen.

Als Deutscher Verband der Aromenindustrie ist uns die Komplexität des europäischen Lebensmittel- und Aromenrechts vertraut. Wir veröffentlichen daher regelmäßig Fachpapiere zu den wiederkehrenden Fragestellungen im Zusammenhang mit der Herstellung und Kennzeichnung von Aromen. Wir möchten damit allen persönlich oder beruflich Interessierten die Möglichkeit bieten, sich bestmöglich über die Aromenindustrie zu informieren.

Dies gilt auch für das besonders beliebte Thema Vanille, zu dem jüngst wieder ein Artikel (WirtschaftsWoche vom 29.1.2021) erschienen ist, den wir hiermit zum Anlass nehmen möchten, noch einmal die wichtigsten Fakten und Hintergründe zur Thematik zusammenzustellen und auf unsere zahlreichen, öffentlich zugänglichen Informationen hinzuweisen.

Nicht zuletzt möchten wir auch noch einmal unsere Bereitschaft zum Dialog mit allen Interessierten zum Ausdruck bringen, die verbunden ist mit dem Wunsch nach einer sachlichen und faktenbasierten Berichterstattung.

Faktenübersicht zur Herstellung und Kennzeichnung von (Vanille-) Aromen

  • Die Herstellung und Deklaration von Aromen ist in der Europäischen Union vornehmlich in der Aromenverordnung (EG) Nr. 1334/2008 sowie der Lebensmittel-Informationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011 geregelt. Aromenhersteller halten sich bei der Herstellung von Aromen an diese rechtlichen Vorgaben.
  • Für die Kennzeichnung ist primär der Lebensmittelhersteller verantwortlich. Was gekennzeichnet wird, muss auch im Produkt enthalten sein. Der europäische Gesetzgeber stellt hier besonders strenge Anforderungen an die Verwendung des Begriffs „natürlich“.
  • Der Aromabestandteil eines natürlichen Vanillearomas muss zu mindestens 95 Prozent aus der Vanille stammen. Die restlichen 5 Prozent müssen ebenfalls natürlich sein und dienen der Standardisierung oder der Verleihung einer z. B. blumigen Aromanote. Vanilleextrakt stammt immer zu 100 Prozent aus der echten Vanille.
  • Da Vanillin der bekannteste Geschmacksstoff der Vanilleschote ist, setzen viele Verbraucher*innen ihn und Vanille fälschlicherweise gleich. Dabei ist der Geschmack der Vanille viel komplexer als der des einzelnen Aromastoffs Vanillin. Zudem wird natürliches Vanillin fast nie aus Vanilleschoten extrahiert, da dieses Verfahren zu teuer ist und das wertvolle Gewürz nicht nachhaltig genutzt würde (in der Regel enthalten die Schoten weniger als 1 Prozent Vanillin).
  • Aromen sind konzentrierte Zubereitungen, die nicht zum direkten Verzehr bestimmt sind. Sie dürfen dem Lebensmittel nur in geringen Mengen zugegeben werden und machen nur etwa 0,1 bis 2 Prozent des fertigen Produkts aus.
  • Die gesetzlichen Vorgaben zur Kennzeichnung und Auslobung des Begriffs „natürlich“ sind in den USA (sowie anderen Wirtschaftsräumen) und der Europäischen Union verschieden. Die Hersteller müssen sich an die jeweils geltenden Vorgaben des Marktes halten, in dem das Produkt verkauft wird.
  • Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission hat Leitsätze zur Kennzeichnung von Speiseeis mit Vanille und Speiseeis mit Vanillegeschmack sowie für Pudding, andere süße Desserts und verwandte Erzeugnisse verfasst. Hier gilt jedoch zu beachten, dass letztere aus dem Jahr 1998 stammen und sich noch auf die Vorgaben der alten Aromenverordnung beziehen. Sie befinden sich aktuell in der Revision. In der vorliegenden Version enthalten sie längst überholte Rechtsbegriffe.
In der Berichterstattung der WirtschaftsWoche vom 29.1.2021 werden die Leitsätze unvollständig bzw. nicht richtig in Bezug genommen. Wenn die WirtschaftsWoche bspw. berichtet, die Leitsätze würden für Pudding, Saucen und Desserts vorschreiben, diese „müssen 0,4 Prozent natürliches Vanillearoma enthalten“, so ist die Aussage gleich in mehrfacher Hinsicht falsch. Die Leitsätze schreiben einen Anteil von 0,4 Gramm Vanilleschoten pro 500 Gramm oder eine geschmacklich entsprechende Menge natürliches Vanillearoma vor. Somit ist zum einen die zitierte Mengenangabe falsch. Zum anderen wird bei der alternativen Verwendung von natürlichem Vanillearoma gerade keine Mengenangabe gefordert, sondern lediglich eine sensorische Äquivalenz zu den Vanilleschoten gewünscht.
  • Auch zum Aromastoff Piperonal findet man regelmäßig irreführende Aussagen. Zum Beispiel, dass Piperonal „ein traditionell synthetisch erzeugter Geschmacksverstärker für Vanille“ sei. Der Aromastoff kommt jedoch auch natürlich vor, z. B. in Pfeffer, Dill und Melone. Er wurde auch in Hühnchen sowie Sherry gefunden. Ebenso konnte Piperonal in Vanille unterschiedlicher geographischer und botanischer Herkunft (Tahiti, Bourbon und Uganda) nachgewiesen werden.

Linksammlung zu relevanten DVAI-Veröffentlichungen

Fragen und Antworten zu „natürlichen Vanillearomen“

Positionspapier zur Zusammensetzung natürlicher Vanillearomen

DVAI Positionspapier „Vanille“

Natürliches Vanillin aus Lignin? – Bewertung des vermeintlich neuen Verfahrens zur Herstellung von natürlichem Vanillin aus Sicht des DVAI

Fact Sheet: Piperonal

Die Kennzeichnung „natürliches Aroma“ – Nennung des Ausgangsstoffes

Extrakte, inklusive Aromaextrakte gemäß EG-Aromenverordnung

DVAI Positionspapier zur Auslegung des Artikels 16 (4)

EFFA Guidance Document on the EC Regulation on Flavourings

EFFA-Position zu Vanilleextrakten


Pressekontakt:
Dominika Fellner
Deutscher Verband der Aromenindustrie e. V. (DVAI)
Friedrichstraße 166, 10117 Berlin
Tel.: +49 30 240 886 59-32
Email: dominika.fellner@dvai-dvrh.eu