Fact Sheet: Natürlichkeit und Chiralität

Chiralität ist ein Begriff aus der Stereochemie, der eine räumliche Anordnung von Atomen in einem Molekül beschreibt, bei denen bestimmte Symmetrieoperationen, z. B. eine Spiegelung an einer Molekülebene, nicht zu einer Selbstabbildung führen. Vergleichbare Beispiele für ein solches Phänomen aus dem Alltagsleben sind die rechte und linke Hand, rechts und linksgewundene Schneckenhäuser sowie der Korkenzieher für Rechts- und Linkshänder.

Moleküle, deren Bild und Spiegelbild sich nicht zur Deckung bringen lassen, werden als chiral und die beiden unterschiedlichen spiegelbildlichen Formen als Enantiomere (D- oder L-) bezeichnet. Die Mischung beider Enantiomere im gleichen Mengenverhältnis, wird Racemat genannt.

In der Natur kommen Aromastoffe in der Regel als Mischungen ihrer Enantiomere vor. Ein Enantiomer dominiert meist abhängig vom natürlichen Material (z.B. D-Carvon in Kümmel, L-Carvon in Spearmint). Es gibt jedoch auch Beispiele für natürlich vorkommende Racemate (z.B. Traubensäure= racemische Weinsäure, Citronellal in Zitroneneukalyptus, Carvon in Ingwergras). Der Gesetzgeber gibt nicht vor, dass das Enantiomerenverhältnis eines natürlichen Aromastoffes dem Enantiomerenverhältnis dieses Stoffes in einer natürlichen Quelle entsprechen muss.

Die industrielle Produktion von natürlichen Aromastoffen folgt in der Regel nicht einem bestimmten Biosyntheseweg in einer Pflanze. Die EG Aromenverordnung definiert die erlaubten Herstellwege für natürliche Aromastoffe in Artikel 3 (2) c) in Verbindung mit Anhang II. Die Bedingungen für die Herstellung eines natürlichen Aromastoffes werden so gewählt, dass vornehmlich die gewünschte Hauptkomponente entsteht. Folglich ergeben sich bei der Herstellung von natürlichen Aromastoffen auch Enantiomerenverhältnisse, wie sie in unverarbeitetem, pflanzlichem Material bisher nicht gefunden wurden. Dabei können auch racemische Verhältnisse entstehen. Sind beide Enantiomere in der Natur nachgewiesen und die Bedingungen für die Herstellung eines natürlichen Aromastoffes eingehalten, ist für den natürlichen Aromastoff jedes Enantiomerenverhältnis (auch das Racemat) zulässig.

Diese Auffassung wird in einer Veröffentlichung der AG-Aromastoffe der GDCh zur „Authentizität von Aromastoffen“ von 2004 bestätigt. Demnach ist eine sachgerechte Bewertung des Status „natürlich“ nur möglich, wenn alle zuordnungsrelevanten Daten über die eingesetzten Ausgangsmaterialien und angewandten Gewinnungsmethoden bekannt sind [siehe Link]. Folglich ist der Rückschluss falsch, dass ein Aromastoff, der als Racemat vorliegt, automatisch kein natürlicher Aromastoff sein kann bzw. nicht natürlich hergestellt ist im Sinne der EG Aromenverordnung.

Stand: 02.05.2018

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