Fragen und Antworten zu „natürlichen Vanillearomen“
Stiftung Warentest hat in ihrer Ausgabe 03/2016 den Artikel „Der große Vanille-Check“ veröffentlicht. Im Fokus stand bei den getesteten Produkten u. a. die Kennzeichnung „natürliches Vanillearoma“. Zudem wurde die Natürlichkeit ausgewählter Aromastoffe infrage gestellt. Auch in ihrer Ausgabe 04/2016 bezüglich Nuss-Nougat-Cremes wird das Thema Vanillearomen wieder aufgegriffen und führt teilweise zu einer Abwertung der Produkte. Hieraus ergeben sich zahlreiche Fragen, die der DVAI im Folgenden gerne erläutern möchte.
Wird bei natürlichen Vanillearomen zu viel „Fremdaroma“ eingesetzt?
Der Aromabestandteil eines natürlichen Vanillearomas muss zu mindestens 95 % aus der Vanille stammen. Die restlichen 5 % müssen natürlich sein und dienen der Standardisierung oder der Verleihung einer z. B. blumigen Aromanote. Verbrauchermagazine heben hervor, dass Produkte untersucht werden, die mehr als 5 % sogenanntes „Fremdaroma“ aufweisen. Ausgehend von den beschriebenen Testverfahren schlussfolgern wir, dass bei der Bestimmung dieses Anteils der Vanilleextrakt nicht in seiner Gesamtheit mit einbezogen wurde, sondern nur die analytisch quantifizierten Aromakomponenten. Zahlreiche nicht-flüchtige Komponenten (z. B. Polyphenole, freie Aminosäuren oder glykosidisch gebundene Stoffe) tragen aber maßgeblich zum Geschmack des Vanilleextrakts bei.
Die Beurteilung eines natürlichen Vanillearomas kann nur anhand der Rezepturangabe sowie mithilfe geeigneter sensorischer Prüfungen durch Expertenpanels erfolgen. Weitere Informationen hinsichtlich der Zusammensetzung eines natürlichen Vanillearomas finden Sie hier.
Aktuell bestehen hinsichtlich der Überprüfung des sog. „95-5-Verhältnisses“ abweichende Auffassungen. Die Auffassung der Aromenindustrie wurde ausführlich im Positionspapier des DVAI zu Artikel 16 (4) dargestellt. Diese Position wird auch von der Kommission und der Mehrheit der europäischen Mitgliedsstaaten unterstützt. Die abweichende Auffassung der deutschen Länderüberwachungsbehörden ist niedergelegt im Beschluss des ALS vom 19./20. September 2012.
Weitere Informationen hinsichtlich der Deklaration natürliches Vanillearoma finden Sie im Schaukasten 1.
Schaukasten 1: Deklaration natürliches Vanillearoma
Schaukasten 1: Deklaration natürliches Vanillearoma
Definition natürliches Vanillearoma
Gemäß Artikel 16 (4) der EG-Aromenverordnung muss bei einem natürlichen Vanillearoma der Aromabestandteil ausschließlich oder mindestens zu 95 % aus Vanille stammen. Die restlichen 5 % müssen auch natürlich sein und dienen der Standardisierung oder Verleihung einer beispielsweise sahnigen, cremigen oder blumigen Aromanote (siehe auch Erwägungsgrund 26 der EG-Aromenverordnung).
Natürliche Aromabestandteile
In natürlichen Vanillearomen dürfen im 5 %-Anteil nur natürliche Aromabestandteile eingesetzt werden. Unter natürlichen Aromabestandteilen werden natürliche Aromastoffe und Aromaextrakte verstanden. Ein natürlicher Aromastoff ist ein chemisch definierter Stoff mit Aromaeigenschaft, der natürlich vorkommt und in der Natur nachgewiesen ist. Natürliche Aromastoffe werden aus pflanzlichen, tierischen oder mikrobiologischen Ausgangsstoffen gewonnen, die als solche verwendet oder mittels eines oder mehrerer der in Anhang II der EG-Aromenverordnung aufgeführten herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren für den menschlichen Verzehr aufbereitet werden. Beispiele hierfür sind natürliches Vanillin aus Reisspelze, natürliches g-Decalacton aus Rhizinusöl oder 2-Methylbuttersäure aus Rohrzucker. Gemäß der EG-Aromenverordnung sind „Aromaextrakte“ Erzeugnisse, die kein Aromastoff sind und aus Lebensmitteln oder anderen Ausgangstoffen pflanzlichen, tierischen oder mikrobiologischen Ursprungs mittels geeigneter physikalischer oder enzymatischer oder mikrobiologischer Verfahren gewonnen wurden. Dies kann entweder direkt aus dem Ausgangsmaterial oder nach Aufbereitung für den menschlichen Verzehr mittels eines oder mehrerer der in Anhang II aufgeführten herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren erfolgen. Aufgrund des Herstellungsprozesses handelt es sich bei Aromaextrakten um komplexe Mischungen, die nicht nur flüchtige Aromastoffe, sondern auch andere Bestandteile des Ausgangsmaterials (wie z. B. sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, Wachse, Zucker) enthalten. Hierbei kann das Auszugmittel im Aromaextrakt verbleiben (z. B. Ethanol, Essig, Speiseöl oder Wasser). ISO Standard 9235 gibt einige Beispiele unterschiedlicher Aromaextrakte wie zum Beispiel ätherische Öle, Extrakte und Destillate (z. B. Vanilleextrakt, Orangenöl, Anisöl, Kakaodestillat).
Werden in natürlichen Vanillearomen Aromastoffe eingesetzt, die den Vanillegeschmack nachahmen oder verstärken?
Auch wird der Einsatz von Aromastoffen, die das Aroma von Vanille angeblich nachahmen oder verstärken, kritisiert. Hierbei werden insbesondere die Aromastoffe Vanillin, Piperonal (auch als Heliotropin bezeichnet), Anisaldehyd, Anisalkohol und Maltol herausgestellt. Während Vanillin lediglich zur Standardisierung (z. B. bei erntebedingten Qualitätsschwankungen) eingesetzt werden kann, werden die anderen Aromastoffe v.a. zur Verleihung einer besonderen Note verwendet.
Bei der Kreation eines natürlichen Vanillearomas setzt der Flavourist die Vorlieben und Gewohnheiten des Kunden beziehungsweise des Endverbrauchers um. Beispielsweise werden in Deutschland Vanillearomen bevorzugt, die eine sahnige oder buttrige Note haben. Hier werden u. a. Destillate aus Milcherzeugnissen eingesetzt, um diese Geschmacksnote zu ermöglichen. Bei einer French Vanilla hingegen werden Anisnoten gewünscht, so dass hier beispielsweise Anisalkohol und Anisaldehyd im 5 %-Anteil verwendet werden. Wird eine Vanille mit einer karamellligen Geschmacksnote gewünscht, kommt u. a. Maltol oder Karamellzuckersirup zum Einsatz. Um eine blumige Note hervorzurufen, kommt Piperonal im 5 %-Anteil zur Anwendung.
In der Fachliteratur werden die von Stiftung Warentest genannten Aromastoffe wie folgt sensorisch beschrieben:
- Anisaldehyd: Weißdorn-Geruch mit einem typischen anisartigen Aroma
- Piperonal: süßlich, blumiger Geruch erinnert an Blüten der Sonnenwende und ist für den typischen Waldmeistergeschmack verantwortlich
- Maltol: warmer, süßlicher, fruchtiger Geruch, in Lösung ein marmeladeartiger Geruch, Karamell, Butterscotch
- Anisalkohol: blumiger Geruch mit einem süßlich, fruchtigen Geschmack
Keiner dieser Aromastoffe ist für sich alleine in der Lage, das komplexe Aroma der Vanilleschote nachzuahmen. Sie können im 5 %- Anteil eingesetzt werden, um dem Vanillearoma eine besondere Note zu verleihen. Hierbei ist es unerheblich ob diese Aromastoffe in der Vanilleschote enthalten sind oder nicht.
Was ist unter einem Vanillearoma zu verstehen?
Ein „Vanillearoma“ schmeckt bei empfohlener Dosierung deutlich wahrnehmbar nach Vanille, d. h. der Begriff „Vanille“ beschreibt hier den Geschmack des Aromas.
Zur Herstellung eines solchen Aromas können natürliche Aromastoffe, Aromastoffe, Aromaextrakte, thermisch gewonnene Reaktionsaromen, Raucharomen, Aromavorstufen, sonstige Aromen oder deren Mischungen (siehe Artikel 3 (2) b bis h der EG- Aromenverordnung) eingesetzt werden.
Bei der Bezeichnung „Vanillearoma“ handelt es sich folglich um eine genauere Bezeichnung gemäß Artikel 15 (1) a) der EG-Aromenverordnung. Siehe hierzu auch den Beschluss des Arbeitskreises Lebensmittelrechtlicher Sachverständiger (ALS) anlässlich der 102. Sitzung/September 2013, welcher diese Auslegung bestätigt.
Ein mit einem „Vanillearoma“ aromatisiertes Lebensmittel ist gemäß Anhang VII Teil D (1) der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 in Verbindung mit Artikel 29 der EG-Aromenverordnung im Zutatenverzeichnis zu kennzeichnen. Dabei gibt es die Möglichkeit, den Hinweis „Aroma“ ohne weitere Geschmackshinweise vorzunehmen. Alternativ kann auch eine genauere Bezeichnung („Vanillearoma“) gewählt werden.
Was sind die natürlichen Herstellungsverfahren der Aromastoffe Piperonal, Anisaldehyd, Anisalkohol und Maltol?
Die Natürlichkeit der Aromastoffe Piperonal, Anisaldehyd, Anisalkohol und Maltol wird vonseiten der Verbrauchermagazine und einiger privater Handelslabore immer wieder angezweifelt, da Sie hierzu keine entsprechenden Quellen im Rahmen Ihrer Patent- und Literaturrecherche finden (siehe hierzu auch die Frage: Wieso werden die Herstellungsverfahren für natürliche Aromastoffe nicht offengelegt?).
Die zulässigen Verfahren für die Herstellung von natürlichen Aromastoffen und Aromaextrakten sind in der EG-Aromenverordnung geregelt. Diese werden bei der Bewertung natürlicher Aromen durch die deutsche Lebensmittelüberwachung kontrolliert.
Kommen die gewünschten Aromakomponenten schon genuin / in situ im natürlichen Ausgangsmaterial vor, können sie mittels physikalischer Verfahren, wie z. B. Extraktion, Destillation und Ausfrieren direkt daraus isoliert werden (z. B. Anisaldehyd aus Sternanis, Citral aus Zitronengras, Menthol aus Minze).
Viele Aromastoffe entstehen jedoch erst durch die Aufbereitung für den menschlichen Verzehr (z. B. durch das Rösten von Kaffee, das Braten von Fleisch, das Kochen von Gemüse oder das Backen von Brot). Im Rahmen der Herstellung natürlicher Aromakomponenten werden daher auch herkömmliche Lebensmittelzubereitungsverfahren angewendet. Weitere Informationen zu den herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren entnehmen Sie bitte Schaukasten 2.
Biotechnologische Verfahren spielen eine immer bedeutendere Rolle bei der Herstellung natürlicher Aromakomponenten (z. B. Bildung von γ-Decalacton mit Yarrowia lipolytica aus Rizinusöl oder die Bildung von trans-2-cis-4-Ethyldecadienoat aus Pflanzenöl mithilfe von Lipasen z. B aus Candida antarctica).
Mögliche Herstellungswege der in Rede stehenden natürlichen Aromastoffe finden Sie im Schaukasten 3.
Schaukasten 2: Herkömmliche Lebensmittelzubereitungsverfahren
Schaukasten 2: Herkömmliche Lebensmittelzubereitungsverfahren
Lebensmittel enthalten Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, Mikronährstoffe und weitere Bestandteile. Im Zuge der Lebensmittelverarbeitung interagieren diese Bestandteile auf komplexe Art und Weise. Dadurch entstehen unter anderem die besonders intensiven und beliebten Geruchs- und Geschmackseindrücke verarbeiteter Lebensmittel (Brot, Kaffee, Tee, gebratenes Fleisch, Popcorn). Beispiele für Lebensmittelzubereitungsverfahren, die zur Bildung von Aromastoffen führen, sind:
- das Zerkleinern und Kochen von Zwiebeln und Kohl (z. B. Dimethylsulfid, Allylisothiocyanat)
- das Rösten von Kaffee und Kakao (z. B. Diketopiperazinen, 2-Acetyl-1-pyrrolin, Alkylpyrazine)
- das Braten von Fleisch (z. B. Pyrazine, 2,4-Decadienal, Furanderivate),
- das Backen von Brot (z. B. 2-Acetyl-1-pyrrolin, 2-Ethyl-3,5-dimethylpyrazin 2‑Methylbutanal)
- das Fermentieren von Vanilleschoten (z. B Bildung von Vanillin, Vanillinsäure, 4‑Hydroxybenzaldehyd)
Die für die Herstellung von natürlichen Aromakomponenten zulässigen herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren sind im Anhang II der EG-Aromenverordnung aufgeführt. Sie werden traditionell im Rahmen der küchenmäßigen und/oder industriellen Herstellung von Lebensmitteln verwendet. Aufgrund Ihres langjährigen Einsatzes sind Sie einer breiten Öffentlichkeit bekannt und werden allgemein akzeptiert.
Beispiele für in Anhang II der EG-Aromenverordnung aufgeführten herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren sind:
- Zerhacken, Schneiden, Erhitzen, Kochen, Backen, Braten, Trocknen, Vergären, Auspressen, Rösten / Grillen, Destillation/Rektifikation und Extraktion.
Die zulässigen herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren verändern in der Regel die chemische Natur der Aromabestandteile. Sie können sequenziell und auch wiederholend angewendet werden.
Wieso werden die Herstellungsverfahren für natürliche Aromastoffe nicht offengelegt?
Die Aromenindustrie ist im Vergleich zur Ernährungsindustrie ein kleiner Industriezweig. Der weltweite Umsatz der Aromenindustrie beträgt ca. fünf bis sechs Milliarden Euro, in Deutschland sind es mit ca. 430 Millionen Euro etwa 0,25 % des gesamten Umsatzes der Ernährungsindustrie. Die Aromenindustrie setzt ca. 10-15 % ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung sowie Innovationen ein, da dies die Währung dieser wissensbasierten Branche ist und Grundlage ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
Die Wahrung dieses Wissen hinsichtlich Know-how und Informationen ist von außerordentlicher Bedeutung für die Aromenindustrie, um weiterhin auf dem Markt bestehen zu können. Folglich ist es ihr nicht möglich detaillierte Herstellungsverfahren offenzulegen.
Die Bedeutung der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen wurde auch bereits von den Institutionen der EU erkannt und am 15. Juni 2016 wurde die Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Richtlinie trat am 06. Juli 2016 in Kraft. Im Erwägungsgrund 1 wird deutlich, dass ein breites Spektrum von Know-how und Geschäftsinformationen von dieser Richtlinie abgedeckt wird und durch Wahrung der Geschäftsgeheimnisse dem Urheber ermöglicht wird, einen Nutzen aus seiner schöpferischen Tätigkeit und seinen Innovationen zu ziehen. Dies ist folglich von außerordentlicher Bedeutung für Forschung und Entwicklung und für die Innovationsleistung.
Schaukasten 3: Beispiele natürlicher Herstellungsprozesse der Aromastoffe Anisaldehyd, Anisalkohol, Piperonal und Maltol
Schaukasten 3: Beispiele natürlicher Herstellungsprozesse der Aromastoffe Anisaldehyd, Anisalkohol, Piperonal und Maltol (in der Fachliteratur veröffentlicht)
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Anisaldehyd kann aus Anisöl und Sternanisöl hergestellt werden, zum einen durch direkte Isolierung von Anisaldehyd zum anderen durch die biotechnologische Umwandlung aus Anethol (siehe Fact Sheet Anisaldehyd).
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Anisalkohol kann als solches aus Anisöl isoliert oder aus Anisaldehyd hergestellt werden. Beispielsweise ist die biotechnologische Gewinnung von Anisalkohol mithilfe von Hefen durch Umwandlung von Anisaldehyd möglich (siehe Fact Sheet Anisalkohol)
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die Gewinnung von Maltol aus der Rinde und den Blättern von Larix deciduas, Evodiopanax innovans, Cercidiphyllum japonicum und vier Arten von Pinaceae-Pflanzen
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Piperonal entsteht durch Autoxidation von Safrol aus dem ätherischen Öl des Kampferbaumes (Cinnamomum micranthum); siehe Fact Sheet Piperonal.
Detaillierte Herstellungsprozesse der im Schaukasten genannten natürlichen Aromastoffe stellen Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen dar und können folglich im Detail nicht offengelegt werden.