Pestizid-Gesetzgebung
Seit 1. September 2008 ist die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 [1] über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG (hiernach die „Verordnung“) in Kraft. Pestizidrückstände sind Rückstände, auch von derzeit oder früher in Pflanzenschutzmitteln […] verwendeten Wirkstoffen und ihren Stoffwechsel- und/oder Abbau- bzw. Reaktionsprodukten, die in oder auf den unter Anhang I dieser Verordnung fallenden Erzeugnissen vorhanden sind, darunter auch insbesondere die Rückstände, die von der Verwendung im Pflanzenschutz, in der Veterinärmedizin und als Biozidprodukt herrühren können (Art. 3 Abs. 2 c).
Mit der Verordnung werden harmonisierte Rückstandshöchstgehalte für Pestizide festgelegt. „Rückstandshöchstgehalt“ (RHG) ist die höchste zulässige Menge eines Pestizidrückstands in oder auf Lebens- oder Futtermitteln, die gemäß dieser Verordnung auf der Grundlage der guten Agrarpraxis und der geringsten Exposition der Verbraucher, die zum Schutz gefährdeter Verbraucher notwendig ist, festgesetzt wird (Art. 3 Abs. 2 d).
Die Anhänge I bis IV der Verordnung spezifizieren die RHG und die Erzeugnisse, für die diese RHG gelten.
Informationen zum europäischen Recht zu Pflanzenschutzmitteln finden sich unter Link.
In Verbindung mit der Verordnung hat die Europäische Kommission eine Datenbank mit den aktuell geltenden RHG bereitgestellt. Die Datenbank ermöglicht den Benutzern das Auffinden von Pflanzenschutzmitteln und deren zulässigen RHG in den in Anhang I der Verordnung aufgeführten Erzeugnissen.
Mit dem Inkrafttreten der Verordnung wurden die meisten Höchstmengen-Regelungen der nationalen Rückstands-Höchstmengenverordnung (RHmV) [2] außer Kraft gesetzt. Die deutsche RHmV ist jedoch in Teilen weiterhin von Bedeutung, da ihr Regelungsumfang größer als der der Verordnung ist. Die RHmV umfasst auch Rückstände von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln, Düngemitteln und sonstigen Mitteln in und auf Lebensmitteln, sodass im Einzelfall die RHmV für derartige Stoffe weiterhin Geltung hat.
Anhang I der Verordnung enthält auch noch keine Erzeugnisse für die Gruppe 11 (Fisch, Fischereierzeugnisse und sonstige von Meeres- oder Süßwassertieren gewonnene Lebensmittel). So lange für diese Erzeugnisse keine harmonisierten RHG festgelegt sind, gelten die nationalen Bestimmungen fort.
Bezug der Pestizid-Gesetzgebung auf Aromen:
- Für Aromen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 a der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln sowie zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 2232/96 und (EG) Nr. 110/2008 und der Richtlinie 2000/13/EG (EG-Aromenverordnung) werden weder in der nationalen RHmV noch in der EG-Verordnung Höchstgehalte für Pestizidrückstände festgelegt.
- Für Ausgangsstoffe von Aromen (Art. 3 Abs. 2 j i der EG-Aromenverordnung) gelten die in der RHmV bzw. Verordnung festgelegten RHG, wobei durch die Verarbeitung bewirkte Veränderungen der Pestizidrückstandsgehalte zu berücksichtigen sind (Art. 20 der Verordnung bzw. § 2 Abs. 2 RHmV). Das heißt, für verarbeitete Lebensmittel (z. B. ätherische Öle, Aromaextrakte) gelten die Rückstandshöchstwerte der Ausgangsstoffe, aus denen sie hergestellt wurden, allerdings unter Berücksichtigung der durch die Verarbeitung bewirkten Veränderungen durch Einsatz von spezifischen Konzentrations- oder Verdünnungsfaktoren.
- Bisher sind weder in der EU-Verordnung noch in der RHmV solche spezifischen Konzentrations- oder Verdünnungsfaktoren festgelegt. Daher sind für jeden Einzelfall entsprechende Faktoren heranzuziehen.
Es bestehen verschiedene Konzepte:
1. Verarbeitungsfaktoren in der Praxis: Konzentrations- und Verdünnungsfaktoren orientieren sich am Verhältnis der eingesetzten Menge von Pflanzenmaterial zu dem hieraus destillierten/extrahierten Erzeugnis bzw. ätherischen Öl. Dabei ist das Verhältnis der eingesetzten Menge zum hergestellten Produkt naturgemäß je nach Pflanzenart und Erzeugnis verschieden, sodass sich ein einheitlicher Berechnungsfaktor verbietet.
2. Branchenkonzepte/Branchenempfehlungen: Als Beispiel einer ähnlichen Anwendung von Verarbeitungsfaktoren: Der Europäische Verband der Gewürzindustrie (ESA = European Spice Association) hat Trocknungsfaktoren für die Umrechnung der Pestizidrückstände von frischen auf getrocknete Kräuter erarbeitet. Für Kräuter, die nicht in der Liste aufgeführt sind, sollten Trocknungsfaktoren für ähnliche Erzeugnisse aus der Liste angewendet werden. Die Liste ist einsehbar unter Link.
3. Datensammlung des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zu Verarbeitungsfaktoren: Die Datensammlung enthält Ergebnisse von Studien zu Verarbeitungsfaktoren.
4. Datenbank der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)
- Ohne einen Abgleich mit dem realen Herstellungsprozess und den realen Herstellungsbedingungen sind alle diese Faktoren jedoch nur Hilfsfaktoren. Sie können laut Stellungnahme des Lebensmittelverbands Deutschland [3] nur einen Hinweis auf die Konformität der zugrunde liegenden Rohware und des verarbeiteten Produkts geben und somit nicht Basis von Beanstandungen sein. Die Europäische Kommission teilt diese Ansicht [4]. Auch in der Begleitinformation zur Datensammlung des BfR zu Verarbeitungsfaktoren [5] wird explizit erwähnt, dass die Verarbeitungsfaktoren nicht als alleinige Grundlage zur Bestimmung der Verkehrsfähigkeit eines verarbeiteten Produkts geeignet sind.
- Im Grundsatz gilt und dies ist auch in der Praxis anerkannt: Wenn das Ausgangsmaterial gemäß EU-Pestizidrückstandsrecht verkehrsfähig ist, ist ein hieraus erzeugtes ätherisches Öl oder ein Aromaextrakt ebenfalls verkehrsfähig.
- Ein allgemeiner Höchstwert von 0,01 mg/kg gilt dann, wenn kein spezifischer RHG für ein Lebensmittel (bzw. Ausgangsstoff) festgelegt wurde (Art. 18 Abs. 1 b der Verordnung bzw. § 1 Abs. 4 RHmV). Wesentlicher Unterschied der EG-Pestizidverordnung zur nationalen RHmV ist, dass hier die bei der Weiterverarbeitung eintretende Veränderung (Konzentration) auch in den Fällen zu berücksichtigen ist, in denen für den Ausgangsstoff der RHG von 0,01 mg/kg gilt.
- Es gilt ein Vermischungs- bzw. Verschneidungsverbot zu „Verdünnungszwecken“ von Lebensmitteln (bzw. Ausgangsstoffen), die nicht den Höchstmengenvorschriften entsprechen (Art. 19 der Verordnung).
Literatur
[1] Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 23. Februar 2005 (Amtsblatt der EU Nr. L 70 vom 16.3.2005, S. 1-16) i.d.g.F.
[2] Rückstands-Höchstmengenverordnung in der Neufassung vom 21. Oktober 1999 (BGBl. I S. 2082) i.d.g.F.
[3] Positionspapier des Lebensmittelverbands Deutschland „Stellungnahme zur Anwendung von Verarbeitungsfaktoren bei der rechtlichen Beurteilung von Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln“, 10. Oktober 2018.
[4] Punkt A.12 Summary Report der Sitzung des Ständigen Ausschusses SCoPAFF am 21./22. Februar 2019 in Brüssel.
[5] BfR-Datensammlung zu Verarbeitungsfaktoren, Aktualisierte Mitteilung Nr. 034/2019 des BfR vom 3. September 2019.
Stand: 12.11.19