Vom Riechen und Schmecken
Können Sie den Unterschied zwischen Himbeeren und Erdbeeren schmecken? Genau genommen nicht, denn den Unterschied kann man nur riechen. Das Aroma der Früchte erspüren wir nämlich erst, wenn uns deren Duft sprichwörtlich „in die Nase steigt“. Halten Sie beim Essen einfach mal die Nase zu, dann merken Sie den Unterschied.
Das, was man gemeinhin als Geschmack (engl. flavour) bezeichnet, ist eigentlich ein Zusammenspiel von Geschmacks- und Geruchssinn. Zusammen mit Tast- und Temperaturinformationen aus der Mundhöhle erzeugen sie einen sensorischen Eindruck, den wir gemeinhin als „Geschmack“ bezeichnen. Der physiologische Geschmackssinn ist dabei nur für die Unterscheidung der grundlegenden Geschmacksrichtungen wie süß, sauer, bitter, salzig und umami zuständig, die von der Zunge wahrgenommen werden.
Fünf Geschmacksrichtungen – mindestens
Für das Erkennen der Hauptgeschmacksrichtungen sind die Papillen auf unserer Zunge verantwortlich. Man kann sie mit bloßem Auge erkennen. Sie verleihen der Zunge ihr typisches Aussehen. In jeder dieser Geschmacksknospen liegen zehn bis fünfzig Geschmackszellen, die sich alle zehn Tage erneuern.
Durch die große Zahl und die Regenerierfähigkeit der Papillen, ist ein
vollständiger Verlust des Geschmacks sehr selten. Allerdings reduziert sich ihre
Zahl ab der Geburt von etwa 10.000 auf nur noch ca. 700 bei älteren Menschen.
So wird verständlich, warum diese Altersgruppe stärker gewürzte Speisen
bevorzugt.
Egal ob alt oder jung, Menschen können nach heutigem Wissensstand fünf grundlegende Geschmacksrichtungen unterscheiden: süß, sauer, bitter, salzig und umami. Umami ist die Bezeichnung für einen Geschmackseindruck, der vor allem durch die Aminosäure Glutaminsäure vermittelt wird. Das Wort stammt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie herzhaft oder köstlich. Darüber hinaus verdichten sich die Hinweise, dass wir auch Fett als Geschmacksrichtung wahrnehmen können. Und auch weitere Geschmacksqualitäten wie alkalisch, metallisch und wasserartig werden diskutiert.
Scharf dagegen ist keine Geschmacksempfindung, sondern ein Schmerzsignal der Nerven (Trigeminus). Es wird unter anderem ausgesandt, wenn wir Speisen essen, die mit Chili gewürzt sind. Substanzen, die dieses Schmerzempfinden auslösen, sind zum Beispiel das in Chili vorkommende Capsaicin oder das in Pfeffer enthaltene Piperin.
Geschmack entsteht in der Nase
Ob man aber ein Stück Schokolade oder einen Löffel Stracciatella-Eis isst, das Wahrnehmen und Erkennen des Aromas erfolgt erst im oberen Teil der Nasenhöhle. Denn beim Schlucken steigen die flüchtigen Aromastoffe, die hauptsächlich für den Geschmack eines Lebensmittels verantwortlich sind, über die Rachen-Nasen-Verbindung in die Nasenhöhle. Von hier erreichen sie irgendwann das Riechepithel – die Riechschleimhaut, mit ihren etwa zehn bis dreißig Millionen Riechzellen. Jede dieser Riechszellen ist mit Sinneshaaren ausgestattet, an denen Rezeptoren sitzen.
Durch das Andocken eines Aromastoffes an einem dieser Rezeptoren, wird ein elektrischer Impuls ausgelöst. Im Inneren der Zelle wird dieser Reiz verstärkt und über lange Fortsätze der Riechzellen – den sogenannten Axonen – direkt in den Riechkolben geleitet, einen der ältesten Teile des Gehirns. Der Riechkolben besteht aus rund 30.000 kugeligen Rechenzentren (Glomeruli), mit je ca. 1.000 Sinneszellen. Hier werden die Informationen verrechnet und sofern der Reiz stark genug ist, an das sogenannte Riechhirn weitergeleitet. Dort wird der Nervenreiz nochmals sortiert, gebündelt und dann an verschiedene Bereiche unseres Gehirns verteilt.
Liebe geht durch die Nase
Am schnellsten gelangen die Duftinformationen in den Mandelkern und damit ins Unterbewusstsein und zum Sitz unserer Emotionen. Hier erzeugen die eintreffenden Impulse ein Gefühl, je nach Geruch zum Beispiel Angst, Freude oder Ekel. Sie können zudem Erinnerungen hervorrufen und unbewusst Situationen aufleben lassen, die wir lange vergessen hatten. Zum Beispiel der Fliederduft, der an die erste große Liebe erinnert, der Duft frisch gebackener Kekse, den wir mit Großmutters Küche in Verbindung bringen oder der Geruch von alten Holzdielen, der Erinnerungen an die erste eigene Wohnung weckt.
Nur wenn ein Duftreiz intensiv genug ist, gelangt er auch über den Thalamus im Zwischenhirn in die Hirnrinde und dringt damit ins Bewusstsein vor. Dort entsteht dann die passende Assoziation zum Duft, zum Beispiel: „Es riecht nach Zitrone“. Dieser ganze Vorgang dauert dabei nur Bruchteile von Sekunden.
Süßes wird bevorzugt
Kinder riechen in der Regel besser als Erwachsene. Ihre Riechschleimhaut ist differenzierter und empfindlicher. Schon am Ende der ersten Lebenswoche sind sie in der Lage, die eigene Mutter von anderen Stillenden am Geruch zu unterscheiden. Aber nicht nur beim Riechen, auch beim Schmecken sind Kinder den Erwachsenen voraus.
Babys verfügen über 8.000 bis 10.000 Geschmacksknospen, die über die gesamte Mundhöhle verteilt sind. Damit können sie auch sehr feine Geschmacksnuancen wahrnehmen. Dabei haben sie von Anfang an eine Vorliebe für Süßes, die durch das Fruchtwasser und die Muttermilch von früh an befriedigt und verstärkt wird. Gleichzeitig werden bittere und saure Geschmacksnoten in der Regel instinktiv abgelehnt. Und zwar aus einem einfachen Grund: Der Schutz vor dem Verzehr giftiger und für den menschlichen Verzehr nicht geeigneter Substanzen. Diese sind nämlich häufig an ihrem bitteren Geschmack zu erkennen.
Geschmack ist auch Erfahrungssache
Diese anfänglichen Vorlieben verändern sich beim Heranwachsen jedoch und erleben die größte Veränderung im Alter von ungefähr 13 bis 14 Jahren. Jugendliche werden in dieser Zeit ausgesprochen empfindsam für den sauren Geschmackseindruck. Zur selben Zeit nimmt ihre Liebe für Süßes ab. Auch Bitterstoffe, die bei kleinen Kindern spontan auf Abneigung treffen, werden mehr und mehr akzeptiert. Kaffee und Bier, mit ihrem eher herben und bitteren Aroma, sind hier typische Beispiele für Geschmacksvorlieben, die wir erst mit dem Erwachsenwerden ausbilden.
Darüber hinaus gibt es Studien, die nahelegen, dass es bei der Geschmackswahrnehmung auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Mädchen zum Beispiel scheinen in der sensorischen Wahrnehmung grundsätzlich besser abzuschneiden als Jungen. Und noch etwas haben Studien gezeigt: Geschmackliche Vorlieben werden auch erlernt. So fanden Forscher heraus, dass bereits das Essen, das die Mutter während der Schwangerschaft zu sich nimmt, eine entscheidende Rolle bei späteren Geschmacksvorlieben spielt. Hat die Schwangere beispielsweise viel Anis gegessen, bevorzugen ihre Kinder später ebenfalls dieses Aroma. Geschmack ist somit keineswegs eine unveränderliche Größe. Lebenserfahrungen, Probierfreude und die persönliche Lebensweise können ihn immer wieder und zum Teil sogar grundlegend ändern.
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letzte Aktualisierung: März 2020